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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.02.2000
Aktenzeichen: 8 U 576/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1922
BGB § 1937
BGB § 1942
BGB § 2265
BGB § 2267
BGB § 2269
BGB § 2271
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Leitsatz:

Enthält ein Testament Ausnahmen von den getroffenen Bestimmungen für den Fall der Pflege des Erblassers so fällt die gerichtliche Bestellung eines Betreuers nach dem Betreuungsgesetz nicht darunter, weil regelmäßig die persönliche Pflege und Versorgung gemeint ist.


Geschäftsnummer: 8 U 576/99 2 O 102/98 LG Mainz

Verkündet am 11. Februar 2000

Abresch, Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

S

Beklagter und Berufungskläger,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

1. A

2. G

3. H

Klägerinnen und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hölzer, den Richter am Oberlandesgericht Grüning und die Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. März 1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerinnen wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder Bank zu erbringen

Tatbestand

Die Parteien sind Nachkommen der am 5. April 1997 in W.... verstorbenen Erblasserin E...................... Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem am 2. Februar 1979 vorverstorbenen H.................. Der Beklagte ist der Sohn der Erblasserin aus dieser zweiten Ehe, die Klägerinnen sind ihre Töchter aus ihrer ersten Ehe.

Am 12. März 1977 hatte die Erblasserin mit ihrem zweiten Ehemann ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet.

Das Testament wurde am 16. Februar 1979 nach dem Tode des H................. sowie nochmals am 6. Mai 1997 eröffnet.

Die Erblasserin befand sich krankheitsbedingt seit dem 15. Oktober 1993 in einem Pflegeheim. Durch Beschluss vom 16. März 1994 hatte das Amtsgericht W.... für die Erblasserin die Betreuung angeordnet und den Beklagten als Betreuer bestellt. Der Beklagte hat die Betreuung bis zum Tode der Erblasserin geführt.

Nach dem Tode der Erblasserin beantragten die Klägerinnen am 18.7.1997 beim Amtsgericht W.... vergeblich die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts, wonach der Beklagte zu 1/3 und die Klägerin zu je 2/9 als Erben der Erblasserin ausgewiesen werden.

Das Nachlaßgericht setzte zunächst mit Beschluss vom 1.10.1997 den Beklagten als Alleinerben ein. Auf die Beschwerde der Klägerinnen wurde der Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben. Die weitere Beschwerde des Beklagten wurde durch Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken zurückgewiesen. Am 24. Juni 1999 erteilte das Amtsgericht W.... einen Erbschein, in dem der Beklagte zu 1/3 und die Klägerin zu je 2/9 als Erben ausgewiesen werden.

Mit der Klage begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass die am 5.4.1997 in W.... verstorbene Frau E..................... aufgrund gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testaments vom 12. März 1977 zu 1/3 von dem Beklagten und zu je 2/9 von den Klägerinnen beerbt wurde.

Die Parteien streiten über die Auslegung des 3. Absatzes des Testamentes.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Beide Parteien wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzen ihn.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2000 hat der Senat die Akten 4 VI 382/97 AG W.... zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung der Erbfolge nach der verstorbenen E..................... gemäß §§ 1922, 1937 und 1942 BGB. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, denen der Senat folgt (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Erbfolge nach der Erblasserin E..................... zutreffend festgestellt.

Dem als gemeinschaftliches Testament zu wertenden, rechtswirksam nach Maßgabe der §§ 2265, 2267, 2269 BGB errichteten letztwilligen Verfügung der Eheleute S.......... vom 12. März 1977 kann nicht die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben entnommen werden.

Nach dem ausdrücklichen Willen der Erblasser wurden alle vier Kinder im Testament bedacht. Dabei sollte das, was bei dem Tode des Längerlebenden noch vorhanden war, zu 1/3 an den Beklagten und der Rest, also 2/3, gleichmäßig an die Klägerinnen fallen. Aus dieser Regelung folgt der grundsätzliche Wille der Erblasser, alle vier Kinder, also auch die Töchter der Erblasserin aus erster Ehe, zu bedenken.

Von dieser grundsätzlichen Festlegung wurde im 3. Absatz des Testaments eine Ausnahmeregelung getroffen. Hier vereinbarten die Erblasser:

"Falls der Letztlebende von einem unserer Kinder oder dritter Personen gepflegt wird, so bleibt es ihm überlassen, über den gesamten Nachlass nach Gutdünken von Todes wegen zu verfügen, d.h. die oben zu Absatz 2 getroffene Regelung soll nicht mehr gelten."

Diese Regelung enthält bereits ihrem Wortlaut nach keine Einsetzung des Beklagten als alleinigen und unbeschränkten Schlusserben nach der Erblasserin. Sie gab dieser nur die Möglichkeit, im Fall der Pflegebedürftigkeit abweichend von der in Absatz 2 des Testaments getroffenen Bestimmung erneut zu testieren. Absatz 3 des Testaments enthält keine konkrete von der vorhergehenden Verfügung abweichende Einsetzung eines Erbens, sondern befreit nur den längstlebenden Ehegatten für den Fall der Pflegebedürftigkeit von den Beschränkungen des § 2271 BGB.

Unstreitig hat die Erblasserin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

Eine ausdrückliche Einsetzung des Beklagten als Erben ist durch die Erblasserin nicht erfolgt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte aufgrund des Absatz 3 des Testamentes Alleinerbe geworden ist, ist das Testament auszulegen (BGHZ 86, 41 ff.; BGHZ 94, 36 ff.). Dabei ist der wirkliche Wille der Erblasser zu ermitteln.

Die Ermittlung des wirklichen Erblasserwillens, bei dem auch außerhalb des Testaments liegende Umstände heranzuziehen sind, und die Auslegung des Testaments führen nach Auffassung des Senats nicht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte zweifelsfrei Alleinerbe geworden wäre.

Dies folgt für den Senat bereits daraus, dass die Voraussetzungen des Absatzes 3, unter denen der Letztversterbende von den Bindungen des § 2271 BGB freigestellt sein sollte, im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

Nach dem eindeutigen Wortlaut sollte der Letztlebende dann von der Bestimmung des Absatzes 2 abweichen können, wenn er "von einem unserer Kinder oder dritter Person gepflegt wird".

Dabei haben die Erblasser unter Pflege die persönliche Pflege und Versorgung verstanden und nicht den Umstand als entscheidend angesehen, dass eine Person zum Betreuer nach dem Betreuungsgesetz vom Gericht bestellt wird. Dies folgt eindeutig aus den beiden Briefen des R..... S.........., der die Erblasser bei der Errichtung des Testaments beraten haben will.

In seinem Schreiben vom 28. Juli 1997 führt dieser aus:

"Ihm (dem Erblasser) ginge es darum, dass sich jemand nach seinem Tode um seine Ehefrau im Falle ihrer Erkrankung und Pflegebedürftigkeit kümmere. Dafür sei ursprünglich sein einziger Sohn S....... S.......... vorgesehen gewesen. Als Gegenleistung für die Pflege sollte er das Haus in der Rietschelstraße 46 in W.... als Alleinerbe erhalten. ...

Diese Planung entspreche im Übrigen dem Gewohnheitsrecht der Volksdeutschen in Bessarabien, wo er und seine Ehefrau herstammten. Danach bleibe das jüngste Kind im Hause seiner Eltern und pflege sie bis zum Tode."

Aus dieser Schilderung ergibt sich ohne Zweifel, dass es den Erblassern darum ging, zu Hause gepflegt zu werden. Unter keinen Umständen betrachteten sie die Verbringung in ein Pflegeheim als belohnenswerte Tat.

Dies kommt in einem weiteren Absatz des gleichen Briefes zum Ausdruck, in dem der Bruder des Erblasser weiter ausführt:

"Sein Sohn S....... (der Beklagte) sei nun vor einiger Zeit mit Frau und Kind aus dem Hause in der R................. ausgezogen, um sich zu vergrößern. Er wisse nun nicht mehr, ob sein Sohn zukünftig noch in der Lage wäre, seine Mutter zu pflegen, wenn der Pflegeall eintreten sollte."

Auch aus dieser Erklärung ist zu schließen, dass derjenige, der die persönliche Pflege und Versorgung des Letztversterbenden übernimmt, dafür entlohnt werden sollte. Dabei gingen die Erblasser davon aus, dass diese Pflege in ihrem Haus in der R............... erfolgen sollte. Die Möglichkeit der Änderung des Testamentes sollte für den Pflegenden ein Anreiz sein, die persönliche Pflege und Versorgung des Letztlebenden zu übernehmen.

Aus alledem folgt, dass es den Erblassern nicht entscheidend darauf ankam, das Haus dem Beklagten als Stammsitz zu erhalten, viel wichtiger war den Erblassern, die persönliche Pflege und Betreuung des Längstlebenden sicherzustellen.

Erfolgte eine persönliche Pflege und Versorgung nicht, blieb es bei der Regelung in Absatz 2 des Testaments.

Da die Voraussetzungen des Absatz 3 von dem Beklagten nicht erfüllt sind, kommt es nicht darauf an, ob eine Lücke im Testament vorliegt, weil die Erblasser wohl nicht bedacht haben, dass der Längstlebende als Pflegefall nicht mehr testierfähig sein könnte. Die Frage, was die Erblasser dann bestimmt hätten, stellt sich nur dann, wenn der Beklagte tatsächlich die Erblasserin gepflegt und versorgt hätte.

Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, wie die Erblasser testiert hätten, wenn sie gewusst hätten, dass der Längstlebende ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr testierfähig gewesen wäre. Aus dem Testament folgt, dass sie zunächst einmal alle Kinder bedenken wollten. Zum Anderen wussten sie damals noch nicht, wer letztendlich die Erblasserin pflegen werde. Es ist fraglich, ob sie das Pflegeheim oder einen Dritten zum Erben eingesetzt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass durch einen Dritten letztendlich die tatsächliche Pflege erfolgen würde.

Auf jeden Fall kann bei Auslegung von Absatz 3 des Testaments die in Absatz 2 getroffene Verfügung nicht außer Acht bleiben. Darin werden die Klägerinnen als Miterben eingesetzt, obwohl das den Hauptgegenstand des Nachlasses bildende Hausanwesen in W.... allein von dem zweiten Ehemann der Erblasserin finanziert worden war und die Töchter aus erster Ehe bereits versorgt waren. Hieraus wird deutlich, dass die Erblasserin ihre Töchter nicht enterben wollte, während das Interesse ihres Ehemanns, jedenfalls nach den Bekundungen seines Bruders, darauf gerichtet war, seinen einzigen leiblichen Abkömmling, den Beklagten, testamentarisch zu begünstigen.

Nach Ansicht des Senats ist Absatz 2 des Testamentes eine einvernehmliche Regelung beider Eheleute dahin, dass weder die Abkömmlinge der Erblasserin aus deren erster Ehe noch der gemeinsame Abkömmling, der Beklagte, endgültig von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollte.

Damit hat es bei der in Absatz 2 des Testaments getroffenen Regelung zu verbleiben.

II. Die Berufung des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 67.667,00 DM festgesetzt.

Der Wert der Beschwer des Beklagten entspricht dem Streitwert



Ende der Entscheidung

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